Hinweis­geber­schutzgesetz: Wann müssen Agenturen handeln?

Hast du schon mal von der Whistleblower-Direktive gehört? Oder vom Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)? Nein? Dann solltest du dich dringend mit dem Thema beschäftigen. Denn wenn deine Agentur 50 Mitarbeitende oder mehr hat, besteht für dich Handlungsbedarf. Du bist dazu verpflichtet, eine interne Meldestelle für Hinweise einzurichten – und das bereits ab dem 17. Dezember 2023. Wir erklären dir, welche Pflichten dahinter stecken und warum darin auch eine echte Chance steckt – selbst, wenn deine Agentur kleiner ist.

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSch) ist seit dem 2. Juli 2023 in Kraft. Es stellt die deutsche Umsetzung der Whistleblower-Direktive der EU dar. Durch das Gesetz werden Personen, die Missstände am Arbeitsplatz melden, vor möglichen Konsequenzen wie Abmahnungen, Kündigungen oder sonstigen Benachteiligungen geschützt. Diese Abschreckung kann viele davon abhalten, wichtige Hinweise zu geben. Whistleblower brauchen eine sichere Umgebung.

Welche Missstände kommen beim Hinweisgeberschutzgesetz zum Tragen?

Der Begriff „Missstände“ ist ziemlich schwammig. Gemeint sind Betrügereien, Korruption oder Verstöße gegen Menschenrechte, Tierschutz- oder Umweltschutzregeln. Alles keine Themen, die im Agenturalltag präsent sind. Jedenfalls hoffentlich nicht!

Dennoch gibt es auch hier Fälle, die nicht korrekt sind.

Zum Beispiel bekommt eine Mitarbeiterin mit, dass ihre Kollegin aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert wird. Oder ein Mitarbeiter stellt fest, dass die Speicherung der Kundendaten gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstößt. Es kann auch ein Freelancer sein, der bemerkt, dass eine Schwangere Aufgaben übernehmen muss, die nicht mit den Auflagen des Mutterschutzgesetzes übereinstimmen. 

Wusstest du, dass Diskriminierung schon in der Bewerbungsphase stattfinden kann? Hier erfährst du, wie du Stellenanzeigen diskriminierungsfrei nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) schreibst

Nun würde man denken, der erste Impuls ist es, mit dieser Entdeckung an die nächste Führungskraft oder direkt an die Geschäftsleitung zu gehen. Nur: Das traut sich nicht jede:r. Vor allem nicht in einer Agentur, in der es an einer offenen Unternehmenskultur mangelt. Viele sind sich unsicher, wie die Reaktion ausfallen wird, oder haben konkrete Befürchtungen, dass sich die Mitteilung auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Fühlen sich mit dem Gedanken unwohl, dass sie als „Petze“ angesehen werden könnten.

Das Ergebnis: Der Missstand wird nicht ausgesprochen und dementsprechend nicht behoben. Das ungute Gefühl wächst.

Interne Meldestellen sind seit 2023 verpflichtend 

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz soll das nun der Vergangenheit angehören: Repressalien jeglicher Art sind offiziell verboten. Das gilt für alle Unternehmen.

Konkrete Maßnahmen gelten jedoch erst ab einer gewissen Größe, und zwar in Form eines Hinweisgebersystems. Hier können Meldungen gegen Betrügereien, Korruption oder zu Regelverstößen vertraulich entgegengenommen und bearbeitet werden. Die Unternehmen haben dann die Möglichkeit, mit diesen aufzuräumen. 

Wenn innerhalb einer bestimmten Frist nichts passiert, dürfen Betroffene auch an die Öffentlichkeit gehen. Jetzt denkst du vielleicht an Edward Snowden als den wohl berühmtesten Whistleblower der Welt. Ganz so dramatisch muss es gar nicht sein. Vorbeugen ist dennoch angesagt.

Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitenden müssen schon seit dem Sommer 2023 eine interne Meldestelle einrichten und betreiben. Ab dem 17. Dezember 2023 gilt diese Verpflichtung auch für Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden.

Wie muss eine interne Meldestelle aufgebaut sein?

Eine Meldestelle muss nach § 16 Absatz 3 HinSchG  Meldekanäle bereit stellen, über die Missstände in mündlicher oder in Textform sowie auf Wunsch in persönlicher Form angebracht werden können.

Ein Beschwerde-Briefkasten oder die E-Mail-Adresse der Assistenz der Geschäftsleitung reicht dafür nicht aus.

Besser geeignet ist ein IT-gestütztes Hinweisgebersystem wie etwa eine Plattform im Internet oder Intranet oder eine eigens für Hinweise nach dem HinSchG eingerichtete E-Mail-Adresse. Für die mündliche Kommunikation bieten sich eine Whistleblower-Hotline oder ein Anrufbeantwortersystem an. Persönliche Treffen, auch per Videokonferenz, sind ebenfalls möglich.

Wichtig ist nur – und jetzt kommt’s: Die Meldung an sich und die Identitäten der betroffenen Personen müssen zu jedem Zeitpunkt vertraulich behandelt werden. Selbst gegenüber der Geschäftsleitung. Vertraulichkeit bedeutet übrigens nicht Anonymität: Es besteht keine Verpflichtung, anonyme Meldekanäle einzurichten.

Wer auch immer die Aufgabe in deiner Agentur übernimmt, muss unabhängig handeln können und in der Lage sein, über die Folgemaßnahmen selbstständig zu entscheiden. Alle Meldungen müssen ordnungsgemäß dokumentiert werden; dafür gibt es dann auch gesonderte Aufbewahrungspflichten. Und ganz wichtig: Die Mitarbeitenden müssen natürlich auch entsprechend geschult werden. Deine Agentur ist also in der Pflicht, entsprechende Weiterbildungen zu ermöglichen und zu bezahlen.

Hinweisgeberschutzgesetz: Die interne Meldestelle kann auch ausgelagert werden

Die Auflagen machen klar, dass dafür besondere Fachkenntnisse erforderlich sind. Selbst, wenn in deiner Agentur nicht davon auszugehen ist, dass das Meldesystem regelmäßig in Anspruch genommen wird, ist das eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit. Die vielleicht auch nicht jede:r übernehmen möchte, denn je nach Fall steckt hier ein großes Potenzial für Interessenkonflikte drin. Man kennt sich halt… Und insbesondere, wenn die interne Meldestelle an HR angedockt werden soll, ist die Nähe zur Geschäftsleitung durchaus eine große Herausforderung.

In großen Unternehmen sind solche Stellen daher häufig in der Rechts- oder sogar Complianceabteilung angesiedelt. Solche Strukturen werden sich in deiner Agentur kaum finden.

Du hast daher auch die Möglichkeit, die interne Meldestelle auszulagern. Dafür gibt es bereits einige Anbieter:innen, darunter auch zahlreiche Anwaltskanzleien. Das spart sowohl Personal- als auch Schulungskosten und bietet dir einen rechtssicheren Rahmen. Außerdem sind Dritte neutral – du schützt deine Mitarbeitenden dadurch eventuell vor Interessenkonflikten.

Eine andere Lösung ist es, gemeinsam mit anderen Agenturen eine gemeinsame Meldestelle einzurichten. Das ist vor allem für Agenturgruppen und Holdings interessant, unter deren Dach mehrere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten sind.

Hinweisgeberschutzgesetz_Trillerpfeife als Symbolbild für Whistleblower_summarumWas tun, wenn ein Hinweis eingeht?

Zunächst musst du innerhalb von sieben Tagen den Eingang bestätigen. Anschließend hast du drei Monate Zeit, dem Vorwurf nachzugehen. Ist die Meldung begründet? Dafür wirst du mit den Betroffenen sprechen müssen. Beinhaltet sie einen Gesetzesverstoß? Hier ist wahrscheinlich rechtliche Beratung erforderlich. Wie kann ich Abhilfe schaffen?

Innerhalb von drei Monaten musst du dann eine Rückmeldung an die hinweisgebende Person geben, welche Maßnahmen deine Agentur ergriffen hat, um die Ursache zu beseitigen. In Fällen mit hohem Bearbeitungsaufwand kann diese Frist bis zu sechs Monate betragen.

Wenn du diese Frist nicht einhältst und auch das Einbinden einer externen Meldestelle erfolglos blieb, darf die Sache publik gemacht werden. Vermeide das tunlichst – das kann zu einem bedeutenden Imageschaden führen, auch intern!

Was hat es mit einer externen Meldestelle auf sich?

Damit ist normalerweise die externe Stelle des Bundes beim Bundesamt für Justiz gemeint. Es gibt noch eine bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und eine weitere beim Bundeskartellamt. Beide dürften jedoch nicht für deine Belange zutreffen.

Als Unternehmen bist du dazu verpflichtet, potentielle Hinweisgeber:innen über die Existenz der externen Meldestelle zu informieren. Da diese nicht zwingend auf der Payroll stehen – dazu mehr siehe unten - , machst du das besser nicht nur im Intranet, sondern auch auf der Website.

Kleiner Tipp am Rande: Erwähne hier auch deine eigenen internen Meldemöglichkeiten. Dazu bist du nicht verpflichtet, aber Whistleblower können die interne Meldestelle auch überspringen und sich direkt an die Behörde wenden. Das kann zur Eskalation führen. Daher ist es deutlich besser, wenn ihr versucht, den Vorgang intern zu lösen.

Welche Whistleblower werden durch das Hinweisgeberschutzgesetz protegiert?

So ziemlich alle.

In der Agentur sind es alle Beschäftigten, egal, ob sie in Teilzeit oder Vollzeit tätig sind. Auch Praktikant:innen oder Leiharbeitnehmer:innen fallen unter den Schutz. Der Schutz setzt in der Bewerbungsphase ein und erstreckt sich auch auf ehemalige Mitarbeitende.

Außerdem gilt das Hinweisgeberschutzgesetz auch für Menschen, die der Agentur zuarbeiten – also Dienstleister:innen, Freelancer, Subauftragnehmer:innen und Lieferant:innen.

In deiner Agentur gibt es weitere Anteilseigner:innen oder Leitungsgremien wie einen Beirat? Dann fallen auch diese Personen unter besonderen Schutz.

Eine Sache gilt es allerdings zu bedenken:

Bislang sieht der Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes vor, dass nur strafbare Handlungen und bestimmte Ordnungswidrigkeiten erfasst werden. Wenn es „nur“ um moralisch unvertretbares Verhalten geht, besteht der Schutz nicht. Jedenfalls nicht gesetzlich, er ist also nicht einklagbar. Dass ihr solche Whistleblower dennoch protegiert und versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden, setzen wir voraus!

Warum eine interne Meldestelle Chancen bietet 

Ja, die Einführung einer internen Meldestelle ist aufwändig und im Tagesgeschäft nicht sonderlich gut unterzubringen. Und per se kommen solche Auflagen, die von oben verordnet werden, nicht immer gut an. Wie jede Herausforderung bietet das Hinweisgeberschutzgesetz auch Chancen – und so auch der Aufwand einer internen Meldestelle, ob nun intern oder über Dritte.

  • Du installierst ein internes Frühwarnsystem

    Selbst in kleineren Agenturen bekommt die Geschäftsleitung nicht unbedingt alles mit. Durch das Meldesystem lassen sich Probleme identifizieren, bevor sie eskalieren. Wenn du frühzeitig von Bedenken oder Fehlverhalten erfährst, kann du schnell gegensteuern.

  • Du hast mehr Handlungsfreiheit

    Wenn der Hinweis bei dir und nicht bei einer Behörde eingeht, hast du die Chance, Probleme selbst zu lösen. Es ist einfacher, intern angemessene Maßnahmen zu ergreifen.

  • Du positionierst dich als transparente:r Arbeitgeber:in

    Die Einführung einer Meldestelle signalisiert, dass deine Agentur bereit ist, transparent zu agieren, Verantwortung zu übernehmen und Missstände zu beheben. Das fördert das Vertrauen und kann die Zufriedenheit der Mitarbeitenden verbessern.

Nutzen statt Petzen: Fallstricke bei der Kommunikation

Whistleblowing ist ein schwieriges Thema. Schnell landet man damit in der Denunziantionsecke. Keine Frage: Es ist wunderbar, wenn ihr offen für Hinweise seid. Ihr solltet euer Team auch dazu ermutigen, Verstöße zu melden.

Die Einführung einer internen Meldestelle kann das Team aber auch verunsichern. Bei misstrauischen Personen kann der Eindruck entstehen, dass ihr zum Petzen aufruft. Dieser Eindruck soll auf gar keinen Fall entstehen!

Wir empfehlen daher bei der Kommunikation die Gewichtung auf den Nutzen: Macht klar, dass ihr mit dieser Maßnahme (zu der ihr zudem rechtlich verpflichtet seid) in ihrem Sinne handelt, denn ihr stellt ihnen den erforderlichen Schutz zur Verfügung.

Das Thema ist überdies so wichtig, dass ihr darüber auch persönlich informiert und nicht per Rundmail. Das erleichtert es euren Mitarbeitenden auch, Fragen zu stellen.

Fazit: Das Hinweisgeberschutzgesetz als weiterer Schritt in Richtung positive Unternehmenskultur

Die Einrichtung einer internen Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz ist eine unglaublich wichtige und bedeutsame Entscheidung für eure Agentur! Es geht weit über bloße Bürokratie oder gesetzliche Vorschriften hinaus. Seht diesen Schritt auch als einen wesentlichen Bestandteil eurer Unternehmenskultur.

In einer Zeit, in der ethisches Handeln und Transparenz zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist die Einrichtung einer Meldestelle ein starkes Signal an Mitarbeitende, Kund:innen und die breite Öffentlichkeit. Es zeigt, dass eure Agentur ernsthaft diese Werte vertritt und sich für sie einsetzt.

Darüber hinaus schafft ihr damit eine positive Unternehmenskultur, die das Vertrauen stärkt und eine offene, ehrliche und integre Arbeitsumgebung fördert. Im Idealfall wird die Meldestelle dann gar nicht mehr in Anspruch genommen. Denn wer eine offene und transparente Kommunikation lebt, braucht keine Angst vor Repressalien zu haben. Hier kann, darf und soll jeder anbringen, was ihn bewegt. Das ist der Weg zu einer gesunden, erfolgreichen Zukunft für eure Agentur!

Ihr braucht Beratung bei diesem Thema? Dann sprecht unser HR-Team an!

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