Gute Stellenanzeigen zu schreiben, ist schon seit jeher eine hohe Kunst. In Zeiten des viel zitierten Fachkräftemangels, der schon längst auch bei den Agenturen angekommen ist, allemal. Dass ihr eine coole Bude seid, ist ja klar. Aber wie bringt man das rüber? Neben der gelungenen Balance des „über uns“ und des Jobprofils gibt es allerdings noch eine Herausforderung: Niemand darf benachteiligt werden. Das besagt das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG), auch Antidiskriminierungsgesetz genannt. Und das hat – so wichtig es auch ist! – durchaus seine Tücken. Das müsst ihr bei Stellenanzeigen nach AGG beachten
- Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
- Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
- Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
So steht es schon im Grundgesetz. Und weil es so wichtig ist, auch gleich in Artikel 3. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz AGG) geht noch ein bisschen weiter und macht aus dem Gebot ein Verbot. Das AGG verbietet es, Menschen aufgrund von bestimmten Merkmalen zu benachteiligen. Deshalb sprechen wir auch vom Antidiskriminierungsgesetz.
Um diese Merkmale geht es:
- Rasse oder ethnische Herkunft
- Geschlecht
- Religion oder Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- sexuelle Identität
Das Gesetz findet in allen Lebensbereichen Anwendung, doch insbesondere im Personalbereich fällt es ins Gewicht. Denn eine schlichte, aber falsch formulierte Stellenanzeige oder Fehler im Bewerbungsprozess können weitreichende Folgen haben. Die diskriminierte Person hat nämlich Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Die Entschädigung kann bei drei oder mehr Monatsgehältern liegen!
Anderes Gesetz, gleiches Recht für alle: Wusstest du, dass du schon Pflichten im Sinne des Mutterschutzgesetzes hast, bevor überhaupt Agenturnachwuchs unterwegs ist oder ihr ein reines Männerteam seid? Hier erfährst du mehr dazu.
Wann ist Ungleichbehandlung bei Stellenanzeigen im AGG erlaubt?
Sicherlich habt ihr schon mal in einer Stellenanzeige gelesen, dass Mitarbeiterinnen im Zuge der Frauenförderung oder Schwerbehinderte bevorzugt eingestellt werden. Das ist auch erlaubt. Auch besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten können unter Umständen gefordert werden, wenn sie explizit für diese Stelle vonnöten sind. Doch es ist und bleibt eine Gratwanderung. Nur, weil ein bestimmter Charakter oder ein Mensch in einer speziellen Lebensphase euer Team bereichern würde, dürft ihr es nicht einfach fordern.
Diskriminierung beginnt bei der Sprache
Der erste Berührungspunkt ist in der Regel die Stellenanzeige. Deshalb wollen wir in diesem Artikel auch besonders darauf eingehen. Erste Hürde im Inserat: Der Jobtitel. Formulierungen wie „Projektleiter/-in“ sind zwar gängig, aber nicht ganz korrekt. Denn sie sprechen zwar Männer und Frauen an, nicht aber das dritte Geschlecht. Sinnvoller ist es allemal, den Begriff neutral zu formulieren. Sprich: Ihr sucht eine Projektleitung. Ist korrekt, liest sich gut, stolpert niemand drüber.
Nun klappt das ja leider nicht immer mit der Neutralität. „Assistenz“ statt „Assistentin“, „Geschäftsführung“ statt „Geschäftsführer“ sind easy. „Buchhaltende“ hingegen klingt ungewohnt und wird vermutlich in den Jobbörsen selten als Suchbegriff eingeben. Hier ist es sinnvoll, die maskuline Grundform zu nehmen und durch den Zusatz „m/w/d“ zu signalisieren, dass Männer, Frauen und Diverse gemeint sind. Das gleiche gilt für in der Agenturszene häufig genutzte englische Begriffe wie UX Designer oder PR Manager. Sie werden zwar in ihrer Originalsprache nicht gegendert, in unserem Sprachgebrauch hingegen schon.
„Gendern! Aber richtig“ – in unserem Guide haben wir eine Übersicht über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Ansprachen zusammengestellt. Sie soll euch helfen, die Diskriminierung von Geschlechtern zu vermeiden – in eurer Stellenanzeige nach AGG ebenso wie im Alltag:
Ej, Alter: Auch das sind Stolperfallen
Wie du eure Stellenanzeige gendergerecht formulierst, hast du jetzt drauf. Aber wusstest du, dass auch das Alter etwas ist, wo wir häufig unbewusst diskriminieren? Allein schon die Forderung nach einer mehrjährigen Berufserfahrung ist laut AGG nicht sauber. Denn sie impliziert, dass Bewerber:innen nun einmal ein gewisses Alter mitbringen müssen. Und so etwas wie „jung und dynamisch“ geht natürlich auch gar nicht. Ja, so sensibel ist das Ganze!
Auch Rassismus kann sich einschleichen. Ihr sucht neue Texter:innen? Dann vermeidet unbedingt Formulierungen wie „Deutsch (oder Englisch) als Muttersprache“. Neutral sind Formulierungen wie „auf muttersprachlichem Niveau“ oder „mit ausgezeichneter Kenntnis der deutschen/englischen Sprache“. Das nur als weiteres Beispiel, wie haarscharf die Grenze zwischen Diskriminierung und Neutralität sein kann.
Welche Auswirkungen hat das AGG auf Bewerbungsgespräche?
Dass du im Bewerbungsgespräch nicht nach Schwangerschaft oder Kinderwunsch fragen darfst, ist bekannt. Generell gelten hier ohnehin die guten alten Small Talk-Regeln: Krankheit, Religion, Rasse, Politik und Lästereien sind tabu. Konzentriert euch deshalb auf die Basics: die berufliche Qualifikation.
Übrigens raten wir bei Bewerbungsgesprächen unbedingt zum 6-Augen-Gespräch. Führt es also nicht allein, sondern nehmt noch jemanden aus der Agentur mit. Damit sichert ihr euch ab. Ganz nebenbei hat die erweiterte Runde noch den schönen Effekt, dass solche Gespräche häufig einen lebendigeren Charakter haben und das potenzielle neue Teammitglied noch mehr Eindrücke von euch gewinnen kann.
Letzte Hürde: Die Absage
Ja, selbst in diesem letzten Detail stecken noch Tücken. Es hat schon Anfechtungen gegeben, weil aus dem Absageschreiben Diskriminierungsansätze hervorgingen. Haltet es also lieber schlicht und beschränkt euch auf eine neutrale Formulierung wie „Leider müssen wir Ihnen absagen. Wir haben uns für eine/n andere/n Bewerber:in entschieden.“ Auch wenn die meisten Kandidat:innen gern wissen möchten, warum es im Fall einer Absage nicht geklappt hat: Je mehr Details ihr preisgebt, desto angreifbarer macht ihr euch. Das gilt auch für eventuelle telefonische Nachfragen. Also auf keinen Fall Vergleiche ziehen oder in Argumentationen verwickeln. Lass dich nicht dazu hinreißen, zu begründen, warum ihr euch für die andere Person entschieden habt. Das mag menschlich verlockend sein, rechtlich begibst du dich damit aber auf dünnes Eis.
Häufig dient die Nachfrage ja auch eher dazu, zu erfahren, was beim nächsten Mal besser gemacht werden kann. Wenn dir dazu etwas aufgefallen ist, kannst du eine neutrale Empfehlung geben, beispielsweise eine Fortbildung in einem bestimmten Bereich – ohne zu sagen, dass das neue Teammitglied diese hat.